KI ist keine Strategie
Vieles von dem, was ich in den letzten Jahren über das Thema KI und den Einsatz in Unternehmen gehört habe, erinnert mich an dieses Modell.
Und vor allem an die linke obere Ecke. Das Föhn-Feld. Das Feld in dem leere Worte oder heiße Luft in die Welt geblasen werden, statt konkreter Ziele und strategischer Pläne.
Denn so häufig wie ich allgemeine C-Level Aussagen zum Einsatz von KI gehört habe, so selten habe ich konkrete C-Level Aussagen zum Einsatz von KI gehört. Ich glaube das ist ein Ausdruck von Überforderung. Man bekommt keinen Griff an das Thema und dann versucht man Botschaften in die Welt zu setzen, um Zeit zu gewinnen und/oder Ruhe zu verbreiten.
Man weiß, man kann es nicht ignorieren, aber man kann es auch nicht effektiv abstellen oder dem Thema ausreichend begegnen. Also macht man den Föhn an. Ähnlich wie beim schreienden Säugling, den man mit dem Rauschen des Föhns beruhigen will, so wollen Entscheider sich, ihre Führungskräfte, ihre Belegschaft und/oder die Shareholder mit derartigen Ankündigungen beruhigen.
„KI! Klar! Das machen wir auch!“ Und dann entsteht eben nichts als heiße Luft.
Wofür habe sie hier eine Fahrkarte gelöst?
Ich werde Ihnen in den kommenden 15 Minuten erläutern warum die Veränderungen, die KI auslösen wird, zu groß sind, um ihm mit Ausflüchten zu begegnen.
Ich werde erläutern, wie wir meiner Meinung nach dem Thema begegnen sollten und
Drittens was wir konkret dafür tun müssen.
Aber genug der Vorrede.
Warum ist–meiner Meinung nach– „KI keine Richtung“?
Die Veränderung, die KI auslösen wird, sind so grundlegend, dass den Entwicklungen nur begegnet werden kann, wenn umfassend über das eigene Geschäftsmodell nachgedacht wird, über die eigene Organisation, die Wertschöpfungskette des Unternehmens und den Markt, in dem sich das Unternehmen bewegt.
Denn KI ist im Kern nicht der Chatbot auf der Webseite oder der SEO-Sprach-Assistent im CRM oder das Bildbearbeitungstool in der Grafik oder das Übersetzungstool in der Presseabteilung. All dies sind Ausprägungen von KI, Anwendungsfälle, und zwar erste Anwendungsfälle, mit denen sich gerade Geld verdienen lässt, weil sie uns hier und da etwas effizienter machen. Oder weil ein paar Kundenanfragen komfortabler bearbeitet werden. Oder weil die ein oder andere Idee visuell schneller umgesetzt werden kann.
Kaufen sie diese Turnschuhe!
Die Werbekampagne für Turnschuhe mit fliegenden Schweinen erstelle ich ihnen innerhalb von Minuten. Wissen Sie was mich das früher gekostet hat?
Aber! Das ist alles Optimierung. Optimierung von Prozessen, die heute mehr oder weniger gut funktionieren. Das erleichtert Alltag und Alltagstätigkeiten. Das ist die erste Welle Künstlicher Intelligenz, die wir gerade erleben.
Aber –und das ist ein großes Aber– Optimierung wird nicht reichen. Denn mittelfristig und langfristig geschieht durch KI etwas anderes und das gilt es zu verstehen.
Supercycle
Wir befinden uns am Vorabend oder schon mitten in einer Revolution. Einer Zeit, in der Intelligenz in exponentiellem Umfang zur Verfügung stehen wird.
Noch nie konnten wir so schnell, so direkt und so konkret geistige Arbeitsaufträge von Maschinen erledigen lassen: Code schreiben, übersetzen, Bilder bearbeiten, Musik machen und in Zukunft eben auch Material erstellen, Moleküle zusammensetzen, Eiweiße zusammenbauen und damit organisches Material programmieren.
Globale Vernetzung, Rechenleistung und KI-Modelle habe in den letzten 3-5 Jahren einen Reifegerade erreicht, der dazu führt, dass sie sich in ihrer Entwicklung derartig anstoßen und gegenseitig beschleunigen.
Global vernetzte Systeme schaffen die Infrastruktur, um Daten zu produzieren, zu verteilen und wieder zusammenzuführen.
Die uns zur Verfügung stehenden Chiptechnologie stellt die Rechenleistung zu Verfügung, um diese Daten entsprechend zu verarbeiten (Grafik einfügen).
Wir haben die Kompetenz entwickelt, um KI-Modelle zu trainieren, die diese vernetzen Daten und die Rechnerleistung ausschöpft.
Diese Technologien bilden ein Schwungrad. Weil gleich drei sogenannte Universaltechnologien wirken, sprechen Zukunftsforscher:innen wie Amy Webb auch von einem Supercycle.
Dieser Supercycle entfacht eine Dynamik technischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Innovation, die auf viele Systeme unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems einwirkt und Innovationsdruck erzeugt.
Ich mache kurz ein historisches Beispiel auf, um die Größe des Phänomens vergleichbar zu machen.
Die Fähigkeit massenhaft Wissen zu drucken und zu verbreiten, ist ein Meilenstein in der Geschichte der Menschheit. Im Kern dieser Veränderung steht die Universaltechnologie Buchdruck. Entwicklungen in der Metallverarbeitung und der Papierherstellung stießen mit der Erfindung der Drucktechnik zusammen und sorgten dafür, dass die massenhafte Produktion von Schriftstücken ermöglicht wurde. Dadurch wurde Wissen transportabel.
Es konnte nun auf Wissen aufgebaut werden. Wissensvermittlung wurde in bis dahin nicht gesehenem Umfang ermöglicht. Es brach aus kleinen Zirkeln, aus scholastischen Schulen und Klöstern aus.
Der Buchdruck löste die Era der Wissensexponentialität aus. Diese sorgte dafür, dass ein Rechtssystem, ein Wissenschaftssystem und ein staatliches Normensystem entstehen und florieren konnte.
Gedruckte Schrift ist eine Universaltechnologie, die umfassend auf wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche ausstrahlte und den Lauf der Geschichte verändert hat.
Mit Rechenleistung, KI und Vernetzung drehen sich nun gleich drei Universaltechnologien im Zentrum des aktuellen Schwungrades. Und im Vergleich zum Buchdruck oder der Dampfmaschine findet das in einer global vernetzten Wirtschaft, in einer vernetzen Welt statt.
Das bedeutet nicht nur große Veränderung. Das bedeutet große Veränderung mit einer bisher nicht gesehenen Tempo.
Wir kommen in eine Zeit oder befinden uns bereits in darin, die durch Transformation geprägt sein wird. Unsere Generation wird sehr viel Veränderung durchleben.
Geschäftsmodelle werden sterben. Neue werden entstehen. Funktionierende gesellschaftliche Systeme und Normen werden an ihre Grenzen geraten und sich neu erfinden oder umstellen müssen. Wir werden politische Konflikte sehen, die an Bedeutung verlieren und durch neue Konfliktlinien ersetzt werden, weil Machtverhältnisse sich um neue entstehende Einflussfaktoren versammeln.
Ich mache konkret woran wir das heute schon beobachten können:
Wie gehen Schulen oder Universitäten mit der Entwicklung um KI um; die Institutionen unseres Bildungssystems. Sie wissen es noch nicht.
Denn eine zentrale Säule ihres Systems funktioniert nicht mehr: Ihr Prüfmechanismus. Hausarbeiten. Ausarbeitungen. Aufsätze. Das alles erstellt ihnen Chat-GPT, Perplexity oder was auch immer in nie gesehener Qualität und Geschwindigkeit. KI macht das Bildungssystem nicht obsolet. Im Gegenteil. Es macht nur dieses obsolet. Es muss sich grundlegend verändern.
Wir wissen nicht wohin dieser Supercycle führen wird. Das Beispiel unseres Bildungssystems macht aber deutlich, dass künstliche Intelligenz viele bestehende Systeme in Frage verändern wird.
Was bedeutet das für uns heute und insgesamt? Wir müssen darauf die Antworten finden. Das ist die Aufgabe unserer Generation. Wir sind hier nicht bei der Republica, sondern bei einer Industriekonferenz. Wirtschaftlich stehen wir vor folgender Herausforderung:
Vor 10 Jahren wurde davon gesprochen, dass Software in alles einzieht. Der Überbegriff war Industrie 3.0 und 4.0.,
Die kommende Zeit wird davon geprägt werden, dass alles Software wird.
Diese Dematerialisierung unserer Wertschöpfung ist in vollem Gange. Ihr Motor sind die KI Modelle, die gerade entwickelt werden. Der Treibstoff sind die Daten, die wir erzeugt haben und erzeugen werden. Seit knapp 10 Jahren wird davon gesprochen, dass Daten, das neue Öl seien.
Und erst mit KI wird deutlich wie viel Sinn diese Aussage ergibt. Die Digitalisierung der letzten 30 Jahre bildet nur die Grundlage, das Vorspiel, für das, was KI Modelle mit und auf diesen Daten in Zukunft tun werden.
KI bzw. KI-Agenten werden bisher harte, physische Wertschöpfung ins Virtuelle verlegen. Schlicht deshalb, weil Modelle und Algorithmen intelligenter, effizienter und ausfallsicherer werden. Weltmarktführerschaft ohne KI-Kompetenz wird es nicht geben.
Deshalb braucht KI braucht tiefgreifende Strategiearbeit statt Marketingmaßnahmen mit Bots und Kundenagenten. Diese Veränderungen werden Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle verändern. Deshalb braucht es auch Strategien, die an diesem Fundament ansetzen, statt an der Fassade auszubessern.
Keine dicken Kutschen
Oder anders: Die dicken Kutschen des 20. Jahrhundert sind eben nicht enstanden in dem wir fette Pferde gezüchtet habe. Die Kutschenindustrie ist durch einen besseren Antrieb ersetzt worden.
Wenn die die Dynamik, die KI entfalten wird, nutzen wollen, um unsere Unternehmen im Spiel der Märkte zu halten und weiterhin souveränen Wohlstand zu produzieren, dann gilt es unsere Geschäftsmodelle mit KI neu zu erfinden.
Um es konkret zu machen will ich folgende Punkte nennen, die sie bzw. wir anzugehen haben:
Den leichtesten und einfachsten Punkt, gerade vor diesem Publikum, direkt zu Beginn: Wir müssen Datenlandschaften schaffen, um uns für KI bereit zu machen. Das bedeutet Silos aufbrechen, Daten so organisieren, dass sie sich zusammenführen lassen und sich darauf Modelle und Algorithmen trainieren lassen. Zu häufig stecken Daten in Tools oder Tabellen, in Abteilungen und Silos fest. Wenn wir in Unternehmen ernsthaft über KI nachdenken wollen, dann müssen wir zuerst über die Daten in den entsprechenden Unternehmen sprechen.
Denn beim Aufbau und der Organisation von Daten oder gar Datenlandschaften, gibt es noch sehr viel zu tun. Wenn Daten das neue Öl sind, wie ich vorher herausgestellt habe, dann muss dieses Öl an die Oberfläche befördert, raffiniert und zur Verfügung gestellt werden. Es müssen Silos aufgebrochen werden und es muss über Daten im Zusammenhang mit der Unternehmensstrategie gesprochen und nachgedacht werden. Der Use Case in der Produktion, so spannend er auch sein mag, bleibt ein Flackern, wenn er nicht im Sinne der Unternehmensstrategie gedacht und implementiert wird. Dinge müssen zusammengedacht werden. Das kann nur geschehen, wenn der Wert der Daten und die Projekte, um ihn zu heben, von Unternehmensleitungen anerkannt werden und getrieben werden.
KI zwingt uns dazu, uns fundamental mit Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsketten auseinanderzusetzen. Die, die uns jetzt prägen und die, die wir in Zukunft aufbauen können. Eine gute Strategie vereint das Verständnis um technische Entwicklungen und Chancen und Dynamiken, die sie bieten mit einer fundierten Kenntnis über das eigene Geschäftsmodelle und den Markt mit seinen Entwicklungen und Kundeninteressen. Nur so können konkrete Szenarien entstehen, die Handlungsoptionen bieten, um strategische Pfade aufzubauen.
Nochmal: Die Veränderungen, sind zu grundlegend, um ihnen mit unternehmerischen Schnellschüssen zu begegnen. Die Fragen lauten: Welche Zukünfte sind für unser Unternehmen vorstellbar?
Welche sind gewünscht?
Und erst dann folgt: Wie können wie wir diese Zukünfte erreichen. Und das kann bedeuten, seien sie sich darüber im Klaren, dass sie sich selbst Konkurrenz machen. Aber wenn sie es nicht machen, wird es jemand anderes tun.Und noch etwas: Keine Strategiearbeit der Welt spuckt Strategien aus, die sicher funktionieren. Aber gute Strategien sind robust. Sie beinhalten langfristige Ideen für die eigene Organisation und Initiativen wie man sie erreichen kann, die nicht nach dem ersten Ruckeln umfallen.
Wir gehen in eine Zeit permanenter Veränderung. Viele Dinge, die wir für sicher halten, werden sich verändern oder wir werden sie ändern müssen. Das erfordert die Fähigkeit in Zeiten der Veränderungen zu arbeiten und durch diese zu navigieren.
Deshalb: Investieren sie in Mitarbeiter:innen bzw. in sich. Denn wir Menschen werden Fähigkeiten trainieren und neue lernen müssen, um erfolgreich durch Veränderungen zu kommen. Wir brauchen Wissen über Transformation und was das mit uns macht. Wir müssen lernen Selbstwirksamkeit in komplexen Umfeldern zu schaffen und den Umgang mit Angst und Unsicherheit neu kennenlernen. Rein wirtschaftlich gesprochen: Es ist gut investiertes Geld und Zeit, wenn sie ihre Mitarbeitenden veränderungsbereit machen. Je besser wir alle mit der Verunsicherung und den vielen kleinen und großen Umbrüchen umgehen können. Je klarer wir auf uns blicken und je mündiger wir auf das schauen, was das mit uns macht, was das auslöst, wie wir damit umgehen können, desto besser und erfolgreicher kommen wir durch diese Zeit. Innovation und Strategie habe gemein, dass sie nicht linear verlaufen
Nochmal zum Ausgangspunkt meines Beitrags:
Nutzen sie gern all die funkelnden Tools und Gimmicks, die gerade auf den Markt kommen. Aber nehmen sie nicht an, dass sie das davon befreit sich selbst intensiv mit KI zu befassen. KI wird uns alle betreffen. KI wird vielleicht nicht alles, aber sehr sehr viel verändern. Wir alle brauchen eine Strategie wie wir KI nutzen und in unsere Organisationen integrieren. Quick Fixes und Life Hacks funktionieren da nicht.
KI ist keine Strategie! Eine gute Strategie beinhaltet heute immer das Denken über und ggf. auch das Denken mit KI.
Vielen Dank
Dieser Vortrag wurde auf der data:unplugged am 10. April 2025 gehalten.